Die ganze Palette / Rundbrief 07.03.2022

Dürfen wir uns erfreuen an den jungen Trieben des Rosenstocks, der auf den Frühling wartet und auf das Wachstum und Sich-Zeigen, das Duften und das durch uns Bestauntwerden der unermüdlich sprießenden Schönheit der Welt? Ja, wir dürfen. Vielleicht ist es gar eine Pflicht, dem Guten und Schönen, es bemerkend, beizustehen im Angesicht der Krise einer, ja dergleichen, Welt. Das Bemerknis der Schönheit ist womöglich eine Art modernes Gebet.

Diese Bemerknis ist auch eine Entgegnung, die energetisch ihre Wirkung macht. "Something is rotten in the state of Denmark", heißt es in Shakespeares Hamlet. Wir nehmen wahr, wie ein Brand die Welt erfässt, wo der Mensch herzlos in die Welt agiert. Wir nehmen das wahr, spüren die Bedrängnis. Das ist wichtig: Die Ambivalenz des In-der-Welt-Seins wahrzunehmen. Sich da keine Illusion zu machen. Und doch nicht zu verzweifeln.

Etwas wahrzunehmen bedeutet sich der Realität zu stellen. Das braucht Kraft und Mut. An der Realität nicht zu zerbrechen, braucht einen klaren Geist. Dieser ahnt, dass das Leben so nicht ist, dass Gott das Elend nicht will. Gott ist die Liebe. Diese Behauptung möge stark in die Welt strahlen wie wir an das Gute und Schöne glauben. [Wenn ich mich nicht mehr spüre, dann lege ich mich auf den Boden und warte in Geduld und Zuversicht, bis das Gespür für das Leben in mir wiederkehrt. Dann empfange ich immer neu das Leben: Ich atme, und nehme wahr. Noch nie kehrte das Leben nicht zurück...].