in Luft baden / Rundbrief 11.04.2022

Die heutigen Ausführungen kreisen erneut um eine Idee der Lebensreformbewegung, wie sie sich Anfang des letzten Jahrhunderts in Deutschland, Österreich und der Schweiz herausbildete. Das Luftbad wurde dazumal in Sanatorien eingesetzt und der Mensch angehalten, sich bei spärlicher Bekleidung an der frischen Luft (gymnastisch) zu betätigen oder einfach aufzuhalten. Das Wort Gymnastik stammt von altgriechisch 'gymnos' = nackt.

Auch der indische Yogi entbehrt oft der Kleidung, jedoch weniger aus gesundheitlichen Gründen als in asketischer Hinsicht. Ich persönlich suche mit allen yogisch-lebensreformatorischen Unternehmungen dem Leben auf die Spur zu kommen, wie es eigentlich ist oder sein könnte. Um ein Gespür von Kraft und Frische zu erleben, darf die Nahrung keine Heizung aus innen darstellen (deshalb: Rohkost) und der Körper nicht von außen zu stark eingepackt.

Nach dem kalte Safte und der reinigenden Dusche am Morgen, die mit Kaltwasser abschließt, zögere ich noch mindestens 20 Minuten mit dem Anlegen von Kleidung. Dem Körper sei ostentativ die morgendliche Kühle angeboten und gespürt sei dessen Auseinandersetzung mit ihr. Was heißt: "Mir ist kalt" - und was: "Ich spüre die Kühle auf der Haut"? Luftbaden ist ein Baustein des ursprünglich vitalen und lebenslustigen Menschen zur Rückeroberung von Souveränität.