Prägung und Urbild / Rundbrief 26.10.2021
Prägungen bilden sich oft im Körper ab, in Form von Begrenzungen, Beeinträchtigungen, Haltungsmustern bis hin zu Schmerzen. Daneben zeigen sie sich auch im Denken und Fühlen. Im Yoga suchen wir über den Körper Impulse der Befreiung auf alle Ebenen des menschlichen Seins auszusenden. Befreit sich also der Körper, kann auch unser Fühlen und Denken sich erneuern und erweitern. Manche üben nun Yoga, um sich gesund oder den Status Quo zu erhalten. Das ist zu wenig. Warum sich dagegen ein Mensch dazu entscheidet, aus seinen Begrenzungen und Überkommenschaften auszutreten und den Weg des Yogas geht, kann ich nicht mit Sicherheit sagen. Manchen fällt es eben zu, es wird ihre Berufung und ihre Sendung. Man kann sich dann kaum wehren.
Da ist eine Sehnsucht, nicht bloß der zu sein, der ich geworden bin, qua meiner mich prägenden Erziehung in Vergangenheit und Gegenwart oder qua sogenannter eigener Leistungen. Nein, da ist eine Sehnsucht nach einem Menschen gemäß seines schöpfungsnahen Urbildes. Dabei gehe ich davon aus, dass die mir verliehene und begrenzte Individualität nurmehr ein Ausgangspunkt ist, den ich dankbar anerkenne und honiere. Mit einem Bilde aus dem Sport gesprochen: Wenn ein Spiel nicht angepfiffen wird, wird es nicht stattfinden. Dieser Anpfiff ist unsere Empfängnis, unsere Geburt, Erziehung und Sozialisation.
Wenn wir in der Spiritualität von der Heiligung - dem eigentlichen Spiel - unserer selbst sprechen, dann in der Hinsicht, dass wir die uns gegebenen, persönlichen Merkmale transzendieren, d.h. sie erlösen. Wir wollen uns nicht mit einem Schmerz oder einer Begrenzung identifizieren, sondern erleben, wie unser Menschsein in der höchsten Form sich wirklich darstellt und anfühlt. Schmerz und Begrenzung sind uns ein Ausgangspunkt, an dem wir ansetzen, um Schritte in die Freiheit zu wagen. Sie bringen uns im besten Falle auf einen Weg, auf dem wir mehr werden können als die Form, unter der man uns früher kannte.